Donnerstag, 29. August 2019

Trainingspartner im Karate

Einer der entscheidenden Faktoren für ein erfolgreiches Training im Budō-Karate ist ein guter Trainingspartner. Besser als  ein guter Trainingspartner sind ein paar gute Trainingspartner. Häufig scheinen es Karateka zu lieben, von „Schülern“ zu sprechen: „Ich habe so und so viele Schüler“, „Heute waren meine Schüler aber faul.“, „Heute waren meine Schüler fleißig.“ „Schüler“ zu haben ist super fürs Ego, fürs Prestige, glaube ich. Denn so erhebt man sich selbst über eine Gruppe von Menschen – sowohl intern als auch nach außen.

Ich persönlich möchte keine Schüler, ich möchte Trainingspartner. Ich brauche Trainingspartner.

Diesen Gedanken übernahm ich von meinem Karate-Lehrer. Im Budō-Karate ist Masse nicht gleich Klasse. Und um meine eigenen technischen Fertigkeiten (Waza) qualitativ anheben zu können, benötige ich echte Trainingspartner. Besser ausgedrückt: Ich bin abhängig von ihnen. Umgekehrt sind meine Trainingspartner abhängig von mir. Auch meine Trainingspartner benötigen ihrerseits einen guten Trainingspartner, um ihre technische Fertigkeit zu verbessern.

Solo-Kata waren, sind und bleiben die unbestreitbar entscheidende Grundlage, nicht aber das Ziel meines Karate. Mein technisches Ziel im Karate kann ich nur mit Hilfe eines guten Trainingspartners erreichen. Allein funktioniert das nicht. Dies sind einige der Gründe:

Erstens kann mein Trainingspartner – auf eine eher grundlegende Weise – mal hier schieben, mal da ziehen oder je nachdem mal drücken, halten, heben, um meinen „Karate-Körper“ einstellen zu helfen. Klingt banal, ist aber entscheidend wichtig.

Zweitens ist er unabdingbar, um Dinge, wie Timing, Rhythmus, Abstand usw. zu studieren. Diese werden nicht durch die Übung der Solo-Kata trainiert. Sie sind auch nicht wirklich in der Solo-Kata enthalten. Allein mit Hilfe eines Trainingspartners kann ich sie lernen.

Drittens ist sein Feedback für mich wesentlich, um Anpassungen und Veränderungen in die korrekte Richtung hin zum Trainingsziel vornehmen zu können.

Viertens brauche ich den Angriff eines Trainingspartners, nicht den eines Schülers, um echte Fortschritte zu machen. Ein Schüler neigt nämlich dazu, wie ein Schüler anzugreifen. Durch etwas Nachdenken und Beobachtung sollte klar werden, wie sich der Angriff eines Schülers von dem eines Trainingspartners unterscheidet. Dies beinhaltet u. a. etwas, das ich „Fake-Timing“ nenne und später mal besprechen möchte.

Bei alledem ist eine Frage noch unbeantwortet. Wo bekomme ich echte Trainingspartner her? Eine Erkenntnis aus einigen Jahren Karate-Übung ist, dass gute Trainingspartner nicht vom Himmel fallen. Sie sind im Gegenteil rar gesät.

Auf jeden Fall ist für das Zustandekommen einer Trainingspartnerschaft gegenseitiges Vertrauen unabdingbar. Schließlich erfordert das gemeinsam angesteuerte Trainingsziel einen hohen zeitlichen Aufwand, und Zeitverschwendung mit Möchtegernen ist alles andere als produktiv. Hinzu kommt eine immanente Gefahr für Körper (und Geist), die fortgeschrittene Übungsformen (Kumite) mit sich bringen. Eine Person, von der ich weiß, dass sie gerne mal normale Regeln „in ihrem Sinne“ auslegt oder gar lügt und betrügt, möchte ich selbstverständlich nicht in meinem Keiko haben. Denn dieses Vorwissen verdeutlicht, dass eine solche Person als potentieller Trainingspartner ebenso handeln würde und dass somit im schlimmsten Fall meine Gesundheit und die meiner Trainingspartner auf dem Spiel stünden.

Folglich ist eine Vorauswahl unvermeidlich. Die Geschichte des Karate zeigt übrigens, dass Karate-Adepten im neunzehnten Jahrhundert ganz ähnlich dachten …

© Henning Wittwer

Mittwoch, 27. März 2019

Rückblick auf den Shōtōkan-Stock-Lehrgang 2019 in Niesky

Pünktlich zum Frühlingsbeginn wies mich mein Kalender auf einen neuen Karate-Lehrgang zum Thema Shōtōkan-Stock hin. Doppelte Freude bedeutete das für mich, da das kalte Schmuddelwetter einem absehbaren Ende entgegenschlittert und ich mit überwiegend Wiederholungstätern – neben zwei Neulingen auf dem Feld des Shōtōkan-Stocks – zahlreiche Details und Übungen zu Shūji no Kon und Sakugawa no Kon wiederholen, vertiefen und zusätzlich vorstellen konnte.

Wie so oft musste ich meinen Enthusiasmus bei der Planung des Lehrgangs bremsen: Es gäbe ja so viel zu lernen, wäre da nicht das übliche Zeitproblem. Zwei Tage standen zur Verfügung, was einerseits ein solider Rahmen ist, andererseits am Ende doch irgendwie immer auch zu kurz scheint …

Geschichtliche, sprachliche, folkloristische und methodische Hintergründe vermittelte ich wie üblich in Theorieteilen, die die wichtige Basis für die praktischen Abschnitte des Lehrgangs bildeten. Denn es ging nicht darum, „irgendetwas“ zu lernen und auszuüben. Und so hoffe ich, dass sich dieses Hintergrundwissen bei allen Teilnehmern förderlich auf ihren weiteren Karate-Weg auswirken wird.


Eine besondere Herausforderung beim Umgang mit dem Stock ist und bleibt der korrekte Körpereinsatz, der im Idealfalle zu wirksamen Techniken einerseits, andererseits mit dem Karate-Körper ohne Waffe(n) in den Händen übereinstimmen und ihn ausfeilen helfen sollte. Daher wies ich auf vielerlei Einzelheiten hin und ließ diese körperlich nachvollziehen.

Nicht allein die Auswahl der Stock-Kata und deren besondere Abläufe machen sie zu Stock-Kata des Shōtōkan-Ryū, sondern insbesondere auch die spezifische Handhabung des Stocks. Aus diesem Grund zeigte ich in beiden Gruppen immer wieder Unterschiede zwischen der -Handhabung im Shōtōkan-Ryū und einigen „Kobudō“-Organisationen auf.

Schrittweise beginnt sich das Ganze so auch wie Shōtōkan-Ryū „anzufühlen“ …

 

Für beide Gruppen standen neben den jeweiligen Solo-Kata viele, ihnen entsprechende Partnerübungen (Kumibō) auf dem Programm.

Dabei zeigte ich insbesondere die Übereinstimmung des Körpereinsatzes bei einem Wurf des Shōtōkan-Ryū mit leeren Händen und einem mit Stock auf, die dann ausprobierend und übend nachvollzogen werden konnte.

Hinzu kamen in Gruppe B mehrere Henka sowie Bō-Dori.

Bei letzteren legte ich dieses Mal nicht den Schwerpunkt auf die Vollständigkeit, sondern auf die Herausarbeitung eines Wirkprinzips, dass ihnen zugrunde liegt, aber üblicherweise verkannt wird oder gar nicht bekannt ist.




Danke nach Ilmenau, Dippoldiswalde, Dessau, Leipzig, Potsdam und natürlich Niesky!

© Henning Wittwer