Welche technischen Vorstellungen vertraten Adepten in der Frühzeit des Shōtōkan (1938–1945)? Und überhaupt: Was machte für sie Karate aus? Diese und ähnliche Fragen beschäftigten mich spätestens seit meinem ersten Lehrgang mit Kase Taiji Sensei. Denn sein Karate unterschied sich gravierend von dem damals hierzulande verbreiteten Sport-Karate.
Wertvolle Einblicke in das Karate aus jener Epoche lieferte mir das 1939 vom historischen Shōtōkan herausgebrachte Buch „Das wahre Mark des Karate-Dō“. Bislang gab es – soweit ich das überblicken kann – keine englische (oder gar deutsche) Übersetzung dieses Werks, weswegen ich mich dazu entschloss, es vom Japanischen ins Deutsche zu übersetzen. Denn inhaltlich gehört es zu den aufschlussreichsten Zeugnissen aus der Gründungsphase des Shōtōkan.
Als Ergänzung und zum Vergleich fügte ich dem „Wahren Mark“ einen bebilderten Aufsatz von Funakoshi Yoshitaka Sensei hinzu, der es ermöglicht, noch detailliertere Erkenntnisse zum damaligen technischen Verständnis und der Frage, was genau Karate war (bzw. sein sollte), zu gewinnen. Anhand vieler alter Fotos, die vor allem Egami Shigeru Sensei und Hironishi Motonobu Sensei (die späteren Köpfe des Shōtōkai) zeigen, werden in diesen alten Quellen technische Grundlagen, Heian Shodan (einschließlich einiger Anwendungsbeispiele), Makiwara- und Sandsackübung sowie Tori-Te bzw. Tori und fortgeschrittene Kumite vorgestellt. Verdeutlicht wird dabei, dass Kumite im Shōtōkan eine äußerst lebendige und nervenaufreibende Angelegenheit war.
In meinen Anmerkungen liefere ich weitere Informationen über Funakoshi Yoshitaka Sensei und Knackpunkte der Technikgeschichte des Karate. Dabei war es mir wichtig, Yoshitaka Senseis Lebenswirklichkeit in den 1930er Jahren näher zu beleuchten, um ihn so auch menschlich greifbarer zu machen. Aus meiner Sicht bedeutsame Ausführungen füge ich zudem über die „Schreie“ (Kiai) im Karate sowie über Itosu Ankō Senseis Lehrtext von 1908 hinzu.
Insgesamt lädt das Buch dazu ein, bestehendes Wissen zur Technikgeschichte des Karate allgemein und der des Shōtōkan insbesondere zu hinterfragen, zu erneuern und zu erweitern.
Bestellt werden kann es hier:
https://www.gibukai.de/karate-do-shinzui/
© Henning Wittwer