Sonntag, 27. Mai 2018

Gasshuku

Meist im Sommer kommt diese besondere Zeit ...

Im Laufe eines Karate-Übungsjahrs bildet für mich ein Gasshuku den Höhepunkt. Regelmäßiges Keiko ist grundlegend wichtig, ohne Frage! Durch ein Gasshuku kann und wird dieses aber zusätzlich auf eine höhere Stufe befördert, da es das regelmäßige Training auf gebündelte Weise vertieft.

Historisch betrachtet waren Gasshuku interne, mehrtägige Trainingslager für Mitglieder des Karate-Klubs einer Universität oder eines privaten Dōjō. Später kamen eher kommerzielle Angebote („Karate-Urlaub“) hinzu, doch auf solche Veranstaltungen beziehe ich mich hier nicht.

Dem Wortsinn nach beinhaltet ein Gasshuku das gemeinsame Logieren mit Mitgliedern der eigenen Übungsgruppe, meinen Trainingspartnern also. Idealerweise ist es mit einem Verreisen verbunden, um räumlichen Abstand zum Trainingsalltag sowie ein nur auf Karate „begrenztes“ Umfeld zu schaffen. Die „Abgrenzung“ soll den Teilnehmern schlicht zu Zweierlei verhelfen: zu einer möglichst vollkommenen Konzentration auf das Keiko und zu optimalen Trainingsbedingungen durch die Möglichkeit an einem Ort schlafen, essen und trainieren zu können.

Um mein eigenes Training beim Gasshuku wirklich ausbauen zu können, sind meine Trainingspartner unabdingbar. Sowohl die ausgedehnten Trainingseinheiten mit ihren herausfordernden Inhalten als auch das – wenn auch kurzzeitige – Zusammenleben erfordern ein gewisses Maß an gegenseitigem Vertrauen. Daher ist von vornherein ausgeschlossen, dass Außenstehende an einem Gasshuku teilnehmen können. Durch den vertrauten Umgang und das gegenseitige Motivieren im Keiko entsteht ein Nebeneffekt, der Neudeutsch als „Teambuilding“ bezeichnet wird, eine Verstärkung der Bindung untereinander und zum gemeinsam verfolgten Karate-Ziel.

Wichtig ist neben dem eigentlichen Training, dass während eines Gasshuku eine bessere Erholung nicht nur nötig, sondern auch möglich ist. Aufgrund der äußeren Umstände eines Gasshuku fehlt nämlich die allgegenwärtige Ablenkung durch Schule, Universität, Arbeit, Familie, Haushalt und Technostress.

Faszinierend ist außerdem, wie stark sich diese Abwechslung vom Trainingsalltag und der Abstand zum Alltag insgesamt in der Zeit nach einem erfolgreich durchgeführten Gasshuku auswirken können. Meine eigenen Fortschritte und die meiner Trainingspartner liefern in den darauffolgenden Wochen eine inspirierende, neue  Basis für den weiteren Übungsweg.

© Henning Wittwer