Donnerstag, 14. Oktober 2010

Hangetsu

Im Karate-Dō Shōtōkan-Ryū gibt es Leute, die Hangetsu lieben, und Leute, die Hangetsu hassen. Vertreter beider Gruppen haben scheinbar eines gemeinsam: viele offene Fragen zu dieser Kata. Als Übungsform ist diese Kata sehr sinnvoll, weil sie grundlegende technische Fertigkeiten schult. D.h. sie war und ist keine geheimnisvolle oder „hohe“ Kata.

Als erste technische Frage taucht meist der in Hangetsu geübte Stand auf. Das ist auch logisch. Von JKA-Vertretern wird ein etwas eigentümliches Ding trainiert, das den Namen Hangetsu-Dachi erhielt. Hier ist die historische Ursache für diesen Hangetsu-Dachi nicht so wichtig, es soll um technische Punkte gehen. Dabei wird von JKA-Ausbildern gefordert, daß Fußspitzen und Knie nach innen gedrückt werden – es lebe die Natürlichkeit! Vielleicht schreibe ich mal einen Artikel über all die Varianten des Hangetsu-Dachi, denen ich so begegnete.

Jedenfalls forderte Funakoshi Gichin Sensei für die Kata Hangetsu keinen Hangetsu-Dachi, sondern einen „normalen“ Zenkutsu. D.h. es werden keine Knie nach innen gedrückt und die vordere Fußspitze zeigt nach vorne. In Übereinstimmung mit Funakoshi Sensei unterrichtet mein Karate-Lehrer diesen natürlichen Stand.

Im Unterschied zu anderen Kata, werden aber in Hangetsu die Füße in einer halbmondförmigen, d.h. bogenförmigen Bahn nach vorn gesetzt. Dies ist in der Tat ein besonderes Merkmal dieser Kata. Genau diese Besonderheit führte zum Namen Hangetsu (Halbmond).

Unter den fünfzehn von Funakoshi Sensei gelehrten Haupt-Kata ist Hangetsu die einzige Kata, die Nekoashi-Dachi enthält. Der grundsätzliche Unterschied zwischen Kōkutsu-Dachi und Nekoashi-Dachi ist die frontale Ausrichtung des Oberkörpers beim Nekoashi-Dachi. Beim Kōkutsu ist der Oberkörper dagegen zur Seite ausgerichtet.

Auffällig ist der Einsatz der Faustform Ippon-Ken, die in den restlichen Haupt-Kata nicht auftaucht. Daher kann Ippon-Ken durchaus als weiteres Merkmal von Hangetsu genannt werden.

Oft herrscht auch Unklarheit über die Art und Weise während der Übung von Hangetsu zu atmen. Im Unterricht meines Karate-Lehrers gibt es diesbezüglich keinen Unterschied zur Art und Weise der Atmung bei den anderen Kata. Ich denke, dies ist nur folgerichtig. Natürlich ist das nicht überall so. Und ich lernte tatsächlich ein paar sehr unterschiedliche Arten, die Atmung in Hangetsu zu gebrauchen. Beim mit Abstand sinnfreisten Beispiel wird ein kratziges Röchelgeräusch erzeugt, welches wohl besonders martialisch wirken soll...

Das sind einige der grundlegenden technischen Punkte zur Kata Hangetsu. Ein paar weitere Hintergrundinfos finden sich hierin. Ausführlicher zur Geschichte der Kata werde ich mich demnächst hier äußern.

© Henning Wittwer